PlatonAristotelesEpikurSpinozaLockeKantHegelMarxAdornoMarcuseBloch

English Site Logo    Grafic Logo Erinyes

Erinnyen Aktuell ButtonPhilosophieseite ButtonSchuledialektik ButtonVereindialektik ButtonBuchladen ButtonWeblog ButtonRedakteur Button

 

Home Button
About Erinyes Button
Button DeterminismusSpinoza Button
Association Button
News Button
Imprint Button

 

RSS-Feed Button

 

Newsletter Button

 


Titel Determinismus

4. Gegen eine „spinozianische Grundlegung
der Linken“ / Kritik des Monismus

Die Wiederaufnahme einiger Gedanken von Spinoza ist geradezu ein Musterbeispiel für solch ein falsches Philosophieren, besondern seine Parallelisierung von Denken und Ausdehnung sowie sein Determinismus. Spinoza wird nicht als ein Philosoph reflektiert, der in der Frühneuzeit die Wahrheit des Denkens vorangebracht hat – auch wenn man dies bekenntnishaft daherbetet -, sondern als Steinbruch des Denkens, aus dem man sich für die „flache“ Ideologie (falsches Bewusstsein) ein paar vermutete  Edelsteine meint herausbrechen zu können.

Zion argumentiert nicht, sondern er arbeitet mit philosophischen Schlagworten und Klischees, z.B. „strikte Subjekt/Objekt-Trennung in der Nachfolge der Hegelschen Metaphysik“ (Manuskript, S. v). Warum eine Subjekt-Objekt-Verbindung besser ist als ihre Trennung, wird nicht gesagt, mit der Hegelschen Philosophie, die er scheinbar kritisiert, hat solch ein Geraune nichts zu tun. Jede strikte Trennung von Subjekt und Objekt, bei Descartes res cogitans und res extensa, hat das Problem, nicht ihre Vermittlung begründen zu können (bzw. auf irrationale Größen wie Gott als Vermittlung zurückgreifen zu müssen, den man glauben kann oder auch nicht, jedenfalls ist Descartes’ Gottesbeweis nicht haltbar, siehe Kant: KrV., S.  B 620 - 630). Und jede strikte Ineinssetzung von Subjekt und Objekt, bei Spinoza als denkendes und ausgedehntes Attribut der alles umfassenden Substanz (bzw. Gottes bzw. der Natur: deus sive natura), hat das inverse Problem, nicht begründen zu können, wie das denkende Attribut Selbstständigkeit gegenüber der allgemeinen Substanz entwickeln kann, eine Selbstständigkeit, die eine notwendige Voraussetzung zu ihrer Erkenntnis ist. Denn wäre das Denken auch determiniert, wie Spinoza behauptet, dann hätte es keine Freiheit seine Aussagen mit den Dingen zu vergleichen, also Wahrheiten zu erkennen, es könnte also auch nicht die Wahrheit der allgemeinen Determination erkennen. (Es sei denn das Bewusstsein hätte immer schon die Wahrheit in sich – das aber ist krude Metaphysik.)

Mit dieser Kritik am strikten Dualismus und strikten Monismus fällt aber Zions ganze philosophische Grundlage zusammen. Das Großartige an Hegel ist gerade, dass er die Subjekt-Objekt-Beziehung vermittelt, seine Hauptwerke „Phänomenologie des Geistes“,  „Wissenschaft der Logik“ und „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften“ bestehen darin, Subjekt und Objekt in dialektische Beziehung zu setzen und zu entwickeln. Diese Vermittlung ist ein Hauptantrieb der Argumentation dieser Werke. Wenn auch diese dialektische Vermittlung letztlich idealistisch ist, enthält sie doch entscheidende theoretische Reflexionen, von denen eine an Wahrheit orientierte Theorie nicht abstrahieren kann – so wie es Zion mit seiner abstrakten Negation Hegels tut.

Zions ungeprüfte philosophische Grundlage ist seine Ablehnung (wieder ohne Argumente, nicht immanent) des Dualismus von Descartes, dem er den „spinozianischen Parallelismus von Denken und Ausdehnung“ (Manuskript, S. vi), wieder bloß bittweise anzunehmen, ohne Argumente entgegenstellt.

Zion trägt ein philosophisches Prinzip vor sich her wie eine Monstranz, baut alles darauf auf, ohne das Prinzip selbst bewiesen oder doch begründet zu haben. Dieses Prinzip, das sich Zion aus Spinoza herausgeholt hat, ist der „Parallelismus von Denken und Ausdehnung“ (a.a.O., S. vi), die Aussage: „die Ordnung und Verknüpfung der Ideen ist dieselbe wie die Ordnung und Verknüpfung der Dinge“ (Spinoza: Ethik, II, 7)

Zunächst sind solche Aussagen ontologisch, nach Kants Kritik an ontologischen Aussagen, die darin besteht, dass die Vermittlung durch das erkennende Subjekt unterschlagen wird, also jeder etwas als ontologisch behaupten kann, ohne das es intersubjektiv überprüfbar ist, sind ontologische Behauptungen verdächtig, Hypostasierungen bloß subjektiver Bestimmungen, also irrational zu sein. Das stört Zion aber nicht, denn auch im anderen Zusammenhang spricht er von einer „Ontologie der Produktion und der Arbeitskraft“ (Manuskript, S. v).

Denken, insofern es objektiviert ist in sprachlichen Urteilen und Sätzen, ist diskursiv, d.h., es folgt einer Abfolge von Worten. Die „Ordnung und Verknüpfung der Dinge“ als ontologische ist aber nicht diskursiv, sondern stellt einen genuinen Zusammenhang dar, der ein Ganzes ist oder wie man dies ausdrücken will. Schon durch eine einfache Reflexion der Sprache zeigt sich, dass es keinen „Parallelismus von Denken und Ausdehnung“ geben kann.

Abstrahiert man von diesen beiden Einwänden und sieht Spinozas Parallelismus mehr metaphorisch, dann läuft es auf die These hinaus, dass das Denken eine Widerspiegelung des Seins ist. Da diese Widerspiegelung ebenfalls die subjektive Seite der Erkenntnis unterschlägt, folgt daraus: Gäbe es den Parallelismus von Denken und Sein, dann wäre jeder Gedanke, den wir haben, wahr. Streitet man dies ab und behauptet, es gäbe auch falsche Gedanken, und Zion tut dies, indem er z.B. Marx falsches Denken unterstellt, dann muss das erkennende Bewusstsein zwischen wahr und falsch unterscheiden können. Es benötigt ein Kriterium der Wahrheit, an dem es Aussagen überprüfen kann (wie z.B. die logische Forderung nach Widerspruchsfreiheit). Diese Überprüfung setzt ebenfalls die Freiheit des Bewusstseins voraus, denn ohne diese Freiheit wäre diese Überprüfung selbst determiniert und dadurch nicht verifizierbar. Ohne die Freiheit des Bewusstseins wären sowohl wahre und falsche Gedanken determiniert, wir wären lediglich Hampelmänner der Materie, eines Gottes, einer allumfassenden Substanz oder der Natur, die von ihrer Determination gar nichts wüssten. Diese Freiheit des Erkennenden bestreitet Zion aber (a.a.O., S. v), dadurch unterstellt er einmal die notwendig anzunehmende Freiheit des Erkennenden, ohne die es keine wahre Erkenntnis gibt, und zugleich streitet er sie verbal ab, indem er die Determinismusthese vertritt. Seine Ausführungen werden irrational, widersprüchlich und damit unverständlich.

Bereits das Denken der Parallelität von Denken und Ausdehnung, der Übereinstimmung der Ordnung und Verknüpfung der Ideen mit der Ordnung und Verknüpfung der Dinge, welche „dieselbe“ sein soll (so Zion mit Spinoza), setzt ein Bewusstsein voraus, das beide Seiten denkt. Indem es beide Seiten denkt und in sich vorfindet, ist es weder das eine noch das andere, beide Seiten (Denken und Sein, Subjekt und Objekt) fallen in ein Drittes, das sie denkt, das also nicht beide Seiten ist. Wenn aber das Bewusstsein ein Drittes ist, das Denken und Ausdehnung denkt, also das Denken des Denkens und das Denken der Ausdehnung, also in strikter Bedeutung Selbstbewusstsein, dann sind Denken und Sein Konstruktionen, Gesetztes, vom Selbstbewusstsein Produziertes und nicht an sich parallel, nicht an sich eine adäquate Ordnung. Sind sie aber durch das Selbstbewusstsein (als Theorie der Erkenntnis und die Tätigkeit der Erkenntnis) gesetzt, so bedürfen sie der Begründung, ob sie ontologische Bestimmungen sind oder nur solche der Einbildungskraft, eine Begründung, die weder Spinoza noch Zion liefert.

Diese Begründung hat erst Hegel versucht – wenn auch idealistisch auf die Totalität bezogen. Tatsächlich aber ist die Einheit der Welt, wie sie bei Spinoza (ohne Subjekt) und bei Hegel (auch als Subjekt) bestimmt ist, nur eine regulative Idee, wie Kant richtig erkannt hat. Jeder Erforschung der Welt, ob in den Naturwissenschaften oder in den Gesellschaftswissenschaften, muss die Hypothese zugrunde liegen, dass die äußere Welt eine einheitliche ist, nach gewissen überall gleichen Gesetzen funktioniert. Ob diese Hypothese allerdings zutrifft, das muss die Wissenschaft am konkreten Gegenstand erweisen. Umstandslos aber von der Einheit der Welt (Monismus) und dem Parallelismus von Denken und Sein (bzw. Ausdehnung) zu reden, ist krude Ontologie. Der Grund für diesen Fehler liegt in der Schwärmerei einiger Philosophen der Aufklärungsepoche, die von den ersten Erfolgen der Naturwissenschaften, Kausalketten aus der Natur herauszupräparieren und zu Naturgesetzen zu erklären, auf die gesetzmäßig Bestimmung der Totalität geschlossen haben. Sie haben aber in ihrer ontologischen Verblendung nicht gesehen, dass die „distributive Einheit des Erfahrungsgebrauchs“ des Verstandes nicht mit der „kollektiven Einheit eines Erfahrungsganzen“ des Verstandes zusammenfällt (Kant: KrV., B 611), oder vereinfacht ausgedrückt: Der Zusammenhang der Naturgesetze ist nicht mit dem Zusammenhang der empirisch zu konstatierenden Erscheinungen gleichzusetzen. Gegenüber der Totalität sind Naturgesetze immer partikular. Die Projektion der kollektiven Einheit eines Erfahrungsganzen auf die distributive Einheit des Erfahrungsgebrauchs ist eine Hypostasierung subjektiver Bestimmungen zu ontologischen, also falsch. Ob eine Projektion des menschlichen Selbstbewusstseins wahr oder falsch ist, kann sich letztlich nur in der gegenständlichen Tätigkeit erweisen.

Zurück zum Anfang der Seite

5. Menschliche Arbeit und freier Wille –
Marxkritik à la Zion

Zur Abschaffung des Kapitalismus und zur Errichtung einer freiheitlichen sozialistischen Ordnung ist der freie Wille der Menschen eine notwendige, wenn auch keine hinreichende Voraussetzung. Der Wille ist die Übertragung von Gedanken in die äußere Realität. Frei ist der Wille, wenn er sich von vernünftigen Zwecken bestimmen lässt. Subjektive Voraussetzung des freien Willens ist die Willkür, sich so oder anderes entscheiden zu können. Die Bedingungen der Realisierung des freien Willens in der natürlichen Umwelt und in den gesellschaftlichen Verhältnissen sind keine Bedingungen des freien Willens, sondern lediglich seiner Realisierung. Aber jede Betätigung des freien Willens setzt ein Moment von Spontaneität voraus. Spontaneität ist ein Absolutes, d.h. ein Bedingungsloses, ein Anfang ohne Ursache, Spontaneität heißt, etwas von neuem anzufangen. Die Spontaneität ist im Resultat, dem ausgeführten Zweck, nicht mehr sichtbar ist. Deshalb kann der freie Wille auch nicht empirisch nachgewiesen, sondern nur als Bedingung der Möglichkeit von rationalen Handlungen mit Notwendigkeit erschlossen werden. Jeder, der einen neuen Satz formuliert (oder auch nur dessen Bedeutung versteht), also Subjekt, Prädikat und Objekt sinnvoll verbindet, betätigt seinen freien Willen, denn die Verbindung von Wörtern wird nicht vorgefunden, sondern ist eine kreative Leistung des Sprechenden. Jede Tätigkeit verfolgt einen Zweck, der Handelnde hat eine Idee im Kopf, die er als Mensch dann in der Wirklichkeit realisiert. Selbst der Sklave (oder Lohnarbeiter), dem die Zwecke seiner Handlungen vom Herrn vorgeschrieben sind, muss einen freien Willen haben – denn sonst könnte er z.B. nicht beim Hacken auf dem Feld zwischen Wildkräutern und Kulturpflanzen unterscheiden. (Tiere können nicht arbeiten!)

Diese selbstverständlichen Einsichten, die Bedingungen der Möglichkeit der menschlichen Existenz sind, werden von Zion und Konsorten geleugnet. Zion kritisiert an Marx: „(…) es ist nicht nur der Wille, sondern – an zentraler Stelle im Kapital über die Arbeit – sogar der „zweckmäßige Wille“, den Marx dem Arbeiter im Arbeitsprozess zuschreibt. Der freie Wille und die Zweckursache also – hier wiederholt sich Renè Descartes’ Irrtum eines Dualismus von Denken (res cogitans) und Ausdehnung (res extensa), der letztlich immer zu einer kausalen Bestimmung der Materie durch das Denken und damit zu dem Problem führt, wie denn der freie (lebendige) Wille den (toten) Raum der Materie überhaupt adäquat auf seine Zwecke hin ordnen kann.“ (Zion: Manuskript, S. v f.)

Zunächst einmal sind zweckgerichtete Tätigkeiten empirisch konstatierbare Fakten. Bei der Umgestaltung der Erde nach menschlichen und kapitalbestimmten Zwecken den „zweckmäßigen Willen“ zu leugnen, ist nur noch konfus. Fakt ist, dass jeder Handwerker, jeder Konstrukteur eine Vorstellung von einem Werk erst im Kopf hat, bevor er es allein oder mit anderen realisiert. Die Philosophie muss diesen Fakt erklären können. Dass ein spinozianischer Gott (Natur, absolute Substanz) die Idee im Bewusstsein des Menschen dann in der res extensa ausführt, war bereits zu Spinozas Zeit wenig schlüssig, heute eine Absurdität. Christine Zunke hat zuletzt das Verhältnis von Denken und materieller Welt (die nicht nur Ausdehnung ist), so bestimmt, dass ein extremer Dualismus wie bei Descartes genauso unnötig ist, anzunehmen, wie in einen platten Monismus wie unser spinozianischer Grundleger der Linken zurückzufallen. „(…) es liegt im Denken, Begriffe zu bilden und zu verknüpfen. Damit ist es zum einen auf Erscheinungen verwiesen, die ihm sinnlich gegeben werden und die es begreift, zugleich gehen die Begriffe als Abstraktionen über jede Erscheinung hinaus. Zudem lassen sich Begriffe von nichtsinnlichen Gegenständen bilden, so dass Denken durch Reflexion einen Begriff von sich selbst bilden kann. Den Geist oder das Denken als immateriell zu bezeichnen ist daher nicht falsch, jedoch dann irreführend, wenn suggeriert wird, dass es eine eigenständige Existenz unabhängig vom Material habe. Die Annahme einer geistige Entität gegenüber einer von ihr gänzlich abgetrennten materiellen, führt zu den klassischen Fehlern des Zwei-Welten-Dualismus; das Leugnen einer wesentlichen Differenz zwischen Denken und neuronalem Geschehen führt zu den Fehlern des Reduktionismus der Identitätstheorien.“ (Zunke: Hirnforschung, S. 202)

Dualistische Theorien können das Wie der Vermittlung von Geist und Materie nicht schlüssig begründen; streng monistische Theorien wie die von Spinoza können nicht begründen, dass sie überhaupt Kenntnisse von der Wirklichkeit haben, da solche Kenntnisse ein Selbstbewusstsein voraussetzen, also eine gewisse Selbstständigkeit des Denkens gegenüber den materiellen Gegenständen, um diese Erkenntnisse als wahr bestimmen zu können. Leugnet man dieses Selbstbewusstsein, dann bleibt nur die Idee eines extremen Determinismus, der selbst nicht als wahr bestimmbar ist (siehe oben). Lösen lässt sich die Antinomie von Geist und Materie, Willensfreiheit und Material, nur dort, wo beide aufeinander treffen: in der menschlichen Tätigkeit, die Voraussetzung unserer Existenz und damit auch unhintergehbar Voraussetzung des theoretischen Denkens ist. (9)

Der Gegenstand, der Körper, muss, wenn er bearbeitet werden soll, an sich bestimmt sein, denn sonst könnte ein Mensch keine Ideen in ihm realisieren, so wie man z.B. aus dem flüssigen Wasser kein Haus bauen kann, weil die Ansichbestimmtheit des Wassers dazu nicht ausreicht. Das Material muss aber auch bestimmbar durch den Menschen sein, denn wäre es völlig determiniert, könnte ich nichts an ihm verändern, was den Fakten widerspräche. Zion schlägt sich nun mit Spinoza einseitig auf das Ansichbestimmtsein der Dinge, leugnet die menschliche Kreativität und Realisationsmöglichkeit der Ideen, sodass die letzten Zweihundert Jahre der Entwicklung und Veränderung der Erdoberfläche anscheinend von selbst vorgegangen sind. Er beschimpft Marx, eine „vollendete Metaphysik“ (Manuskript, S. vi) konzipiert zu haben – und vergisst, dass er selbst steile Metaphysik mit Spinoza betreibt. Er wirft Marx Vergöttlichung des Menschen vor und vergisst, dass der Begriff Gottes nur eine Überhöhung menschlicher Fähigkeiten ist. (Auf die üblichen Manier einer dümmlichen Marxkritik, das am Kapitalismus Kritisierte Marx selbst anzulasten, gehen wir hier nur am Rande ein; vgl. Zion: Manuskript, S. vi f., wo er Marx vorwirft, er reduziere Arbeit auf tote Zeit, weil ein Resultat der marxschen Analyse des Wertbegriffs dies ergibt – als ob Marx für seinen Gegenstand, das Kapital, die Verantwortung trägt.)

Der Text von Zion enthält fast in jedem Satz Widersprüchliches, was aber widersprüchlich ist, das ist objektiv unverständlich. Deshalb kann man sich auch nur in die „Begriffskaskaden“ einfühlen, um eine etwaige Bedeutung zu erahnen. Wenn es keinen freien Willen gibt und keine zweckgerichtete Tätigkeit, dann muss man sich fragen, wie überhaupt eine Veränderung der Gesellschaft möglich ist, die angeblich auch Negri und Zion anstreben? Die Antwort von Zion ist: Seine ontologische Utopie der „Konstitution des Common Wealth“ (a.a.O., S. xxxi) soll durch „keinen Finalismus“, also ohne Verwirklichung von Zielen und Zwecken durch den Willen der Menschen, ausgeführt werden, sondern „vielmehr in einer Art vollständigem Ausfüllen der Dichte der Natur“ (ebda.), wie es in der verquasten Sprache von Deleuze/Negri/Zion heißt. Gemeint ist wohl nach Spinoza, dass wir die abstrakte Utopie eines Common Wealth nur denken brauchen, sodass sie entsprechend der Parallelität von Denken und Ausdehnung sich auch schon verwirklicht.

Solch ein Gestammel will objektiv eine Veränderung der Produktionsverhältnisse verhindern – was immer sich die Spinozaisten dabei einbilden. Solch eine schlechte Lyrik der Veränderung als spinozianische Grundlegung der Linken verbitten wir uns. Aber es kommt noch schlimmer: „Daher wird es nur dort, wo Liebe ist, den Kapitalismus nicht mehr geben“. (a.a.O., S. xxxv) Liebe ist bei Spinoza/Zion ohne freien Willen, also unfreiwillig, eine angenehme Affektion des Körpers und des Geistes, deren einzige Ursache die göttliche Substanz ist. Wenn diese Zwangsprostitution den Kapitalismus stürzt und zugleich die ewige „Offenheit“ (S. xxxv) danach ist, dann ist das – theologisch gesprochen – die Hölle auf Erden, sodass der Kapitalismus im Nachhinein als Paradies verklärt würde. Dieses höhere Uri Gellert-Kunststück, dessen Ansätze bereits bei Platon vorkommen, ist der Kern der „spinozianischen Grundlegung der Linken“. (10)

Zurück zum Anfang der Seite

6. Die Negation der theoretischen Voraussetzungen der Gesellschaftskritik bei Zion

Zur Kritik gesellschaftlicher Verhältnisse muss deren Widersprüchlichkeit nachgewiesen werden. Denn ohne diese wären sie nicht angreifbar. Sachliche Widersprüche kann es nur zwischen Gegenständen geben, die in allgemeine Urteile transformiert sind, da bloße Vorstellungen im Schacht des individuellen Bewusstseins verbleiben und partielle Urteile sich nicht widersprechen können. (11) Damit sachliche Widersprüche erkennbar sind, müssen die allgemeinen Urteile noch systematisch verknüpft sein, denn als isolierte stehen sie in keinem Zusammenhang, können sich also auch nicht widersprechen. Eine systematische Argumentation hat zur Bedingung ihrer Möglichkeit die Einheit des Bewusstseins als objektives bzw. wissenschaftliches Bewusstsein.

Die zu fordernde Widerspruchsfreiheit, die Einheit des Bewusstseins und die systematische Verknüpfung allgemeiner Urteile sind demnach die theoretischen Mindestvoraussetzungen von Gesellschaftskritik. Erkennt ein solches Bewusstsein gesellschaftliche Widersprüche, dann hat dies Konsequenzen für es: „Ist die objektive Einheit des Selbstbewusstseins Bedingung der Möglichkeit der Wissenschaft und der aus ihr zu begründenden Entscheidung und gerät die Einheit des Selbstbewusstseins in Widerspruch zu den realen Verhältnissen, dann müssen diejenigen, die an der Forderung nach rationaler Begründung von Entscheidungen festhalten, auf die Änderung der realen Verhältnisse, der Produktionsverhältnisse, drängen.“ (Bulthaup: Gesetz der Befreiung, S. 91)

Zion stellt bloße Behauptungen auf ohne systematische Argumentation, seine Aussagen sind für ein systematisches Bewusstsein widersprüchlich, da er sich auf einander widersprechende Theorien affirmativ bezieht und zudem sind auch seine Determinismus- und Parallelitäts-These immanent widersprüchlich. Zions Behauptungen sind dadurch irrational, zerstören vernünftiges Denken und paralysieren die Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen. Sie sind also eine Denke mit der Absicht, die Linke ihrer Rationalität zu berauben – das kontradiktorische Gegenteil einer philosophischen „Grundlegung der Linken“.

Die Gründe von Zion, die Fehlschlüsse von Spinoza zu Trugschlüssen zu verwandeln, liegen in den kapitalistischen Verhältnissen selbst, die Zion als notwendige indirekt schön redet. Da dieses Wirtschaftssystem durch ein automatisches Subjekt blind gesteuert wird, dem sich alle wirtschaftlichen Akteure unterzuordnen haben – bei Strafe, ihre ökonomische Existenz zu verlieren -, erscheint dem Herumwühler in Theorien und Erscheinungen dies als eine „zwingende Naturordnung“ (Manuskript, S. vi), welche die Welt lenkt. Der antisystematische Zion vergisst aber, dass dieses automatische Subjekt das Resultat der vielen freien Willen in der kapitalistischen Produktionsweise ist, eines freien Willens, der sich selbst noch fremd ist, denn sonst müsste er sich von der avancierten Gestalt der Vernunft bestimmen lassen und diese Produktionsweise abschaffen. Ist jedoch der Kapitalismus eine „zwingende Naturordnung“, wie Zion mit Turgot behauptet, dann gäbe es keine Veränderung zum Sozialismus, keine Möglichkeit, mit Bewusstsein in den leichenträchtigen  Weltlauf einzugreifen, dann ist auch theoretisch jede Veränderung als unmöglich bestimmt – es sei denn die durch krude Metaphysik begründete natura naturans, der unpersönliche Substanzgott Spinozas, handle weise für uns und führte uns ins Reich der Freiheit, das bei Spinoza alias Zion allerdings nur aus der Einsicht in die Notwendigkeit bestehen kann, letztlich Zwangscharakter hat.

Eine solche reaktionäre Pseudophilosophie als „Grundlegung der Linken“ uns aufzutischen, kann nicht anderes als Versuch angesehen werden, den Lesern, uns Sozialisten, mit einer dümmlichen Provokation zu konfrontieren. (12)

Zurück zum Anfang der Seite

Anmerkungen

(1) Der Autor Zion hat seinen Artikel den „Erinnyen“ angeboten. Bevor ich noch eine Entgegnung schreiben konnten, ist er zur Hälfte in den „Grundrissen“ veröffentlicht worden: (http://www.grundrisse.net/grundrisse33/Eine_spinozianische_Grundlegung.htm) 
Ich beziehe mich allerdings auf das gesamte Manuskript. Kritik an seinen ökonomischen Vorstellungen erspare ich mir, das können andere besser, falls sich überhaupt jemand auf die verquere Ökonomie des 18. Jahrhunderts einlassen möchte.

Inzwischen ist auch der 2. Teil erschienen unter:
http://www.grundrisse.net/grundrisse34/Eine_spinozianische_Grundlegung_II.htm

(2) Vgl. Held/Ebel: Krieg und Frieden, S. 48 - 65.

(3) Vgl. Hardt/Negri: Empire. Die neue Weltordnung.

(4) Vgl. Mensching: Einleitung, S. XXIX.

(5) Vgl. dazu „Philosophie der Gegenwart, S. 119 ff. und meine Analyse von Spinozas „Ethik“.

(6) http://www.grundrisse.net/grundrisse33/Anmerkungen_zu_Karl_Reitter.htm

(7) Vgl. Honeckers Spruch kurz vor dem Zusammenbruch der DDR: „Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf.“ Ochs und Esel haben ihn nicht aufgehalten, aber die falsche Theorie, die hinter dem Spruch steht, hat dazu beigetragen.

(8) Abgedruckt in der letzten Ausgabe der „Grundrisse“, siehe unter (1).

(9) Dennoch bleibt das Verhältnis von Denken und Materie eine Antinomie, die aber nicht dadurch verschwindet, dass man sich auf eine der beiden Seiten schlägt. Da dieses Verhältnis antinomisch ist, können immer wieder Kurzdenker damit ihre wilden Spekulationen speisen.

(10) Platon lässt seinen Sokrates philosophieren: Wenn alle Menschen das Gute kennen würden, dann gäbe es kein schlechtes Verhalten mehr. Denn niemand würde schlecht handeln, um nicht der Täter-Opfer-Dialektik zu verfallen, also als Reaktion auf schlechtes Handeln selbst Schlechtes zu erleiden. (Vgl. Apologie, S. 30) Dieser Idealismus abstrahiert von den gesellschaftlichen Verhältnisse, unter denen erst das Gute zu realisieren wäre. Sind diese Verhältnisse die einer Armuts- oder Konkurrenzgesellschaft, dann zwingen sie zu schlechtem Handeln wider besseres Wissen, um überleben zu können. Analog gilt diese Kritik auch an dem spinozianischen Idealismus von Negri/Zion.

(11) Zwischen einigen rothaarigen und einigen schwarzhaarigen Athenern kann es einen Gegensatz der Haarfarbe, aber keinen Widerspruch geben.

(12) Die Paralysierung der Vernunft in der Postmoderne und bei solche Philosophen wie Deleuze, auf die sich Zion bezieht, hat Peter Bulthaup kritisiert in seinem Text: „Deduktion der Postmoderne oder vom bürgerlichen Interesse an der Paralysierung der Vernunft“, in: Ders.: Das Gesetz der Befreiung. Und andere Texte, Lüneburg 1998.

 

Literatur

(Die Werke werden mit Autor und Kurztitel (scharz) zitiert.) 

Bulthaup, Peter: Das Gesetz der Befreiung. Und andere Texte, Lüneburg 1998.

Held, Karl/Ebel, Theo: Krieg und Frieden. Politische Ökonomie des Weltfriedens, Ffm. 1983.

Hardt, Michael; Negri, Antonio: Empire. Die neue Weltordnung. Ffm, New York 2003.

Kautzky,  Karl: Der Weg zur Macht. Hrsg. und eingeleitet v. Georg Fülbert, Ffm. 1972.

Kautsky, Karl: Ethik und materialistische Geschichtsauffassung. Berlin. Bonn - Bad Godesberg 1973.

Lenin, Vladimir Illjitsch: Werke, zitiert nach: Studien-Texte zur marxistisch-leninistischen Ethik, Berlin 1976.

Mensching, Günther: Einleitung zu: Jean Le Rond d’Alambert: Einleitung zur Enzyklopädie, Hamburg 1997.

Nida-Rümelin/ Özmen (Hg.): Philosophie der Gegenwart in Einzeldarstellungen, Stuttgart 2007. 3. Auflage.

Platon: Apologie. Kriton, Stuttgart 1977.

Karl Reitter: Kritische Bemerkungen zum Artikel von Robert Zion „Eine spinozianische Grundlegung der Linken“, in: http://www.grundrisse.net/grundrisse33/Kritische_Bemerkungen_zu_RobertZion%20.htm

Zion, Robert: Eine spinozianische Grundlegung der Linken – Das ökonomische Tableau in Commonwealth, Manuskript. O.J. o. O.
Inzwischen veröffentlicht in: Grundrisse. Zeitschrift für linke Theorie und Debatte. Internet: (http://www.grundrisse.net)

Zunke, Christine: Kritik der Hirnforschung. Neurophysiologie und Willensfreiheit, Berlin 2008.

Zurück zum Anfang der Seite

Zurück zum Anfang des Artikels

 

Divider

Hier können Sie Ihre Meinung äußern,
         einen Beitrag in unser Gästebuch formulieren,
              Kritik üben oder
                    mit uns Kontakt aufnehmen...

Logo Feedback

Divider

 

 

Impressum

© Copyright: Alle Rechte liegen bei den Erinnyen. Genaueres siehe Impressum.

Letzte Aktualisierung: 31.08.2010