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Titel Glossar

Stichwort: Determinismus

   Dieser Begriff bedeutet einen durchgängigen Kausalzusammenhang in der Natur, in der auch die seelischen Vorgänge einbezogen sind. Insofern gibt es keinen freien Willen, keine Willkür in der Seele und keinen Zufall in der Natur, alles läuft gesetzmäßig ab. Eine solche Behauptung hat zur Voraussetzung ein monistisches Weltverständnis. Hauptvertreter des Determinismus in der Neuzeit sind Spinoza und d’Holbach.

   d’Holbach sagt: „In einem von heftigen Sturm erregten Staubwirbel, der unseren Augen nur ein Bild ärgster Verwirrung darbietet; in dem furchtbarsten Unwetter, in dem widrige Winde die Fluten aufwühlen, gibt es kein einziges Staub- oder Wassermolekül, das sich durch Zufall an seiner Stelle befände, das keine hinreichende Ursache hätte, um den Ort einzunehmen, an dem es sich befindet, und das nicht streng nach der Art und Weise wirkte, nach der es wirken muß. Ein Mathematiker, dem die verschiedenen Kräfte, die in diesen beiden Fällen wirksam sind, und die Eigentümlichkeiten der Moleküle, die bewegt werden, genau bekannt wären, könnte beweisen, daß jedes Molekül nach den gegebenen Ursachen genauso wirkt, wie es wirken muß, und daß es nicht anderes wirken kann, als es wirkt.“ (S. 54)
   „Keine Wirkung entsteht in uns selbst oder in der Natur durch Zufall, ein Wort, das, wie schon bewiesen, gar keinen Sinn hat. Alles, was in uns vorgeht, und alles, was durch uns geschieht, ist, ebenso wie alles, was sich in der Natur ereignet oder was wir ihr zuschreiben, durch notwendige Ursachen bedingt, die auf Grund notwendiger Gesetze wirken und die notwendige Wirkungen hervorrufen, aus denen wiederum andere hervorgehen. / Die Fatalität ist die in der Natur festgesetzte ewige, unwandelbare, notwendige Ordnung oder die unvermeidliche Verbindung der Ursachen mit den von ihnen hervorgerufenen Wirkungen.“ (S. 182)

 Im Gegensatz zu Spinoza, der rationalistisch von einer vergöttlichten Natur ausgeht, deren Gesetze alles determinieren, und aus der alles folgt, vertritt d’Holbach einen sensualistischen Materialismus, der ein einziges Weltprinzip leugnet. Doch beide begehen den Fehler des Determinismus, der auf einem Fehlschluss der Philosophie in der Frühneuzeit beruht: Die neuen Erkenntnisse über die Gesetze der Natur haben die Illusion erweckt, als sei die gesamte Welt durch Gesetze bestimmt, auch wenn wir diese noch nicht im Einzelnen kennen würden. Tatsächlich aber sind Gesetze der Natur aus der Natur herauspräparierte Kausalreihen, die rein nur unter extremen Randbedingungen wirken. Sie sind insofern immer partikular und bestimmen nicht die Totalität als Ganze. Der Zusammenhang der Naturgesetze fällt nicht mit dem Zusammenhang aller Erscheinungen zusammen. Deshalb kann man auch nicht von dem Zusammenhang der partikularen Naturgesetze auf die Totalität schließen. Dieser Fehlschluss war bedingt durch die Erfolge bei der fortschreitenden Anwendung der Naturgesetze in der Produktion und durch das Aufklärungspathos im 17. und 18. Jahrhundert.

   Das entscheidende Argument gegen jeden allgemeinen Determinismus ist die Unmöglichkeit, ihn zu denken. Denn wenn auch das Denken determiniert wäre, dann könnte es keine Wahrheit erkennen, es hätte  keine Freiheit, um Begriff und Sache vergleichen zu können, es hätte kein unabhängiges Kriterium in sich, an dem es die Wahrheit der Determination prüfen könnte, ja es könnte von sich aus überhaupt nichts tun. Es könnte also auch die Wahrheit der Determinationsthese nicht erkennen. Es wäre ein bloßer Hampelmann der Naturgesetze, der Materie oder eines Gottes.

   Im Gegensatz zur deterministischen Aufklärungsphilosophie gesteht Hegel den Menschen durchaus Willensfreiheit zu und erklärt den Zufall als notwendig. Denn ohne Zufall könnten wir nichts in der Wirklichkeit verändern, das Materielle kann nicht nur bestimmt sein, sondern muss auch durch uns bestimmbar sein; auch kann der Mensch keine Zwecke realisieren, ohne einen freien Willen zu haben. Aber da wir die Welt begrifflich auf uns hin interpretieren und sie mit unseren Begriffen erfassen können, unterstellt Hegel die durchgängige Vernünftigkeit der Welt. Dadurch kann er sie als determiniert auf einen Endzweck sich zu bewegend ansehen, allerdings eine Determiniertheit, die sich nur durch unseren freien Willen hindurch realisiert.

   So sagt Hegel: „Die Leidenschaften dagegen, die Zwecke des partikulären Interesses, die Befriedigung der Selbstsucht, sind das Gewaltigste; sie haben ihre Macht darin, daß sie keine der Schranken achten, welche das Recht und die Moralität ihnen setzen wollen, und daß diese Naturgewalten dem Menschen unmittelbar näher liegen als die künstliche und langwierige Zucht zur Ordnung und Mäßigung, zum Rechte und zur Moralität.“ (S. 34) Trotz des menschlichen „Unverstandes“ und der Tatsache, dass sich die Geschichte als „Schlachtbank“ erweise, setze sich das letztlich theologisch bestimmte Endziel durch: „Diese unermessliche Masse von Wollen, Interessen und Tätigkeiten sind die Werkzeuge und Mittel des Weltgeistes, seine Zwecke zu vollbringen, ihn zum Bewusstsein zu erheben und zu verwirklichen; und dieser ist nur, sich zu finden, zu sich selbst zu kommen und sich als Wirklichkeit anzuschauen.“ (S. 40)

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   Marx hat diese entfremdete Geschichte, die sich durch die partikularen Interessen durchsetzt, entschlüsselt als beherrscht von den Gesetzen der kapitalistischen Ökonomie, ein Automatismus, der aber nicht auf ein vernünftiges Endziel zuläuft, sondern zu einer Akkumulation von Mehrwert um der Akkumulation willen und dadurch zur Zerstörung einer lebenswerten Erde und des Charakters der Menschen führt. Die Hoffung auf Grund seiner theoretischen Resultate war, dass die Lohnabhängigen ihre wahren antikapitalistischen Interessen erkennen und diese Ökonomie abschaffen. Er hat dabei das agitatorische Moment seiner Theorie derart betont, das einige Theoretiker der Arbeiterbewegung wie Kautsky und Lenin wieder einen Hegelschen Determinismus herausgelesen haben.

   Marx schreibt im „Kapital I“: „Die aus der kapitalistischen Produktionsweise hervorgehende kapitalistische Aneignungsweise, daher das kapitalistische Privateigentum, ist die erste Negation des individuellen, auf eigne Arbeit gegründeten Privateigentums. Aber die kapitalistische Produktion erzeugt mit der Notwendigkeit eines Naturprozesses ihre eigne Negation (nämlich durch Konzentration und Zentralisation der Produktionsmittel, B.G.). Es Negation der Negation. Diese stellt nicht das Privateigentum wieder her, wohl aber das individuelle Eigentum auf Grundlage der Errungenschaft der kapitalistischen Ära: der Kooperation und des Gemeinbesitzes der Erde und der durch die Arbeit selbst produzierten Produktikonsmittel.“ (S. 791) Dagegen sind in Marx Hauptwerk Argumente enthalten, die einen Determinismus verbieten: Das Kapitel über die ursprüngliche Akkumulation des Kapitals will verdeutlichen, dass sich diese Ökonomie nur mittels Gewalt durchsetzen konnte; Gesetze der kapitalistischen Akkumulation sind keine „Naturgesetze“, dies so zu sehen, sei eine Mystifizierung (S. 648), und überhaupt sind diese Gesetze „sich durchsetzende Tendenzen“ (S. 12), im Gegensatz zu Naturgesetzen, auch wenn sie nicht vernachlässigt werden dürfen, will man nicht im Handeln scheitern. Für einen Übergang zum Sozialismus aber gibt es kein Gesetz, sondern im Gegenteil, die „Organisation des ausgebildeten kapitalistischen Produktionsprozesses bricht jeden Widerstand“ und der „stumme Zwang der ökonomischen Verhältnisse besiegelt die Herrschaft des Kapitalisten über den Arbeiter“ (a.a.O., S, 765). Die Umwandlung der Verhältnisse setzt also eine moralische, organisatorische und praktische Anstrengung voraus, die sich der vernünftigen Spontaneität der Lohnabhängigen verdankt.

   Wenn Interesse geleitetes Denken Marx nur selektiv deterministisch zur Kenntnis genommen hat und die philosophische Problematik jeder Art von Determinismus nicht reflektiert hat, dann ist dies in der zunehmenden Ideologisierung des Marxismus seit dem 19. Jahrhundert begründet.

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Literatur

G.W.F. Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, in: Theorie Werkausgabe Bd. 12, Ffm. 1976.

Paul Thiry d’Holbach: System der Natur oder von den Gesetzen der physikalischen und der moralischen Welt. Übersetzt von Fritz-Georg Voigt, Ffm. 1978.

Karl Marx: Das Kapital Bd. 1, in: MEW 23, Berlin 1966.

Siehe zu dieser Problematik unsere Texte in diesen „Erinnyen“:
„Die linke Sehnsucht nach Monismus und Determinismus“ / „Spinozas Substanzmonismus und die Aporien des Determinismus“ / „Heidegger Verschnitt“


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Letzte Aktualisierung: 31.08.2010

 
31.08.2010