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 Rezension

Der „subjektive Faktor“ und die Denunziation des freien Willens

In der Fabrik sind Arbeitskräfte subjektive Faktoren, „Humankapital“, bloße Mittel der Mehrwertproduktion. Wenn Seibert die Menschen mit Negri ebenso tituliert, dann sieht er die Menschen ebenfalls als bloßes Mittel an. Diese Bestimmung ist per se unmoralisch. Benötigen die Arbeitskräfte in der Fabrik immerhin noch einen freien Willen, ohne den sie nicht arbeiten könnten, auch wenn die Zwecke, die sie realisieren, vom Kapital vorgegeben werden, spricht Seifert ihnen noch den freien Willen und damit ihr Subjektsein ab, das sie benötigen, um das Kapitalverhältnis einmal zu beseitigen. Da der Kapitalismus die Lohnabhängigen zum subjektiven Faktor erniedrigt, verallgemeinert Seibert diese Erniedrigung und ontologisiert sie als theoretische Bestimmung der Massen „mit der schlechten Absicht der Apologetik“ (Marx: Kapital 1, S. 21). Wenn man Bestimmungen der Subjektivität zu ontologischen macht, dann verdinglicht man sie und entsubjektiviert den Menschen. Seibert bringt diese Dekonstruktion des Subjekts auf den Begriff: „Der Mensch ‚besitzt’ die Freiheit nicht als Eigenschaft, sondern höchstens gilt das Umgekehrte: die Freiheit, das ek-sistente, entbergende Da-sein besitzt den Menschen und das so ursprünglich, dass sie einem Menschentum den alle Geschichte erst begründenden und auszeichnenden Bezug zu einem Seiendem im Ganzen als einem solchen gewährt.“ (S. 92) Wie kann ein Abstraktum, selbst Produkt menschlicher Subjektivität, den Menschen beherrschen? Doch nur als Entfremdung seiner eigenen Kräfte, als Verdinglichung seiner Lebendigkeit.

Das hindert ihn nicht von „Autonomie“ zu faseln. „Es liegt ebenso auf der Hand, dass ‚Autonomie’ (…) nichts, aber auch gar nichts mit der bloß imaginären Willkür eines imaginären freien Willens zu tun hat.“ (S. 118) Wie sollen aber Androiden und Cyborgs, zu denen sich angeblich die Menschen entwickelten (S. 97), autonomiefähig sein. Der zur „imaginären Willkür“ heruntergebrachte freie Wille ist das Resultat der Dekonstruktion des Subjekts in der Nachfolge Heideggers. Nur ein „subjektiver Faktor“ ohne freien Willen kann seinshörig sein und sich den Projektionen der Dekonstrukteure überlassen. Denn hätte er einen freien Willen, dann würde er die Subreptionen Seiberts durchschauen können.

Die „Erinnyen“ haben schon mehrfach den Begriff des „freien Willens“ thematisiert und begründet, zuletzt in „Erinnyen“ Nr. 20 (3)). Da Seibert keine Argumente gegen den freien Willen vorbringt – außer dass er ihn denunziert -, brauchen wir auch hier nicht ausführlicher darauf eingehen. Nur so viel: Um einen Satz zu formulieren, also mindestens Subjekt und Prädikat sinnvoll zu verbinden, muss der Schreiber seinen freien Willen einsetzen, denn in der Natur kommt diese sinnvolle Verbindung nicht vor. Wenn Seibert zumindest einige sinnvolle Sätze formuliert, dann betätigt er seinen freien Willen, den er zugleich verleugnet. Oder in Neudeutsch: Er begeht einen performativen Selbstwiderspruch.

Fatal wirkt sich diese Abstraktion vom freien Willen für ein mögliches revolutionäres Subjekt aus, das zum Kommunismus gelangen soll. Da es dies nach Seifert nicht geben kann, muss entweder das Sein determiniert sein, um zum Kommunismus zu führen, dann brauchte Seibert aber sein Buch nicht zu schreiben; oder Kommunismus ist „kein Zustand (…), der hergestellt werden soll, kein Ideal, nach dem die Wirklichkeit sich richten soll, sondern die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt, also die biopolitische Ökonomie des Kapitals und das biopolitische Empire“ (S. 199)“. Dann aber ist Kommunismus ein bloßes muddling through im Sein des Seienden ohne bessere Alternative, sein Buch lediglich ein „Wahrheitsspiel“. Dass es dann doch nicht ohne konkrete Zielbestimmungen geht, machen Termini bei Seifert wie „dass alle Menschen gleich sind“ (S. 198), der Reichtum gerecht verteilt werden soll und alle Menschen ein „Existenzgeld“(S. 117) bekommen sollen, deutlich. Dass Seibert tatsächlich nicht ohne freien Willen und dem Sollen auskommt, zeigt ein Heideggerzitat: „Das Sollen des reinen Wollens wollen.“ (S. 140) Existenzialistisch mit Kierkegaard gilt dann für Seifert: „Der Sprung ist der Akt, in dem das Sollen des Wollens tatsächlich gewollt wird. Er ist deshalb etwas, das man ohne jede Möglichkeit der Vermittlung oder Annäherung getan oder unterlassen haben wird, das existenzielle Entweder-Oder.“ (S. 140)

Kein Zweifel, bei jeder Handlung ist immer auch ein Moment von Spontaneität vorhanden. Aber daraus lässt sich keine Strategie entwickeln – wie es die existenzialistische Schreibe von Seifert suggeriert, sondern weil Spontaneität so oder anderes ausfallen kann, ist sie zwar als ein Moment des Handelns zu berücksichtigen, aber kein bestimmbarer Grund für eine revolutionäre Strategie und Taktik. Der Vorwurf des Abstrakten, den Seibert an dieser Stelle selbst erwähnt, ist durch existenzialistisches Geklapper mit Begriffen nicht ausgeräumt. Zischen ontologischem Existenzialismus und Eingehen auf die konkrete Wirklichkeit liegt ein Hiatus, der den Anspruch Seifert ad absurdum führt. Letztlich will Seibert gar keine Revolution zum Kommunismus, sondern eine „Rationalität“, die sich „in einer umfassenden Sozialreform im Empire“ ausdrückt (S. 119). Das Streben nach dem „ganz Anderen“ ist dann bloße Rhetorik der Seinsauslegung.

Nebenbei wird auch „das Recht der Menge auf Selbstkontrolle und autonome Eigenproduktion“ von Hardt/Negri affirmativ zitiert – aber was heißt hier „autonom“ ohne freien Willen? Sind wir dann alle „Cyborgs“? (S. 97). Autonom heißt selbstgesetzgebend – wie soll das gehen ohne Selbst (Subjekt) und ohne freien Willen? Da es keine Wahrheit vom subjektiven Faktor her gibt, kann dieser die Wahrheit des Seins auch nicht einsehen, sondern muss sie nach Treu und Glauben annehmen. „Dabei tritt eine Wahrheit immer mit einem Ereignis in die Welt und wird dann in einer Wahrheitsprozedur erprobt, die je einem Wahrheitsprozess zugehört.“ (S. 206) Da diese Wahrheitsprozedur nicht rational ist, kann der „subjektive Faktor“ sie auch nicht einsehen (was den freien Willen voraussetzt), sondern nur glauben. "Einer Wahrheit in Treu und Glauben verbunden, wird ein Dasein zum Wahrheitssubjekt.“ (Ebda.) Das aber ist keine Autonomie, sondern Heteronomie des Seins, eine Heteronomie, die man wie die theologische nur mit Gewalt anderen aufschwatzen kann. Die Wahrheit des subjektiven Faktors ist deshalb an den mittelalterlichen Herrschaftsbegriff der Treue und an einen irrationalen Begriff des Glaubens gebunden.

Seibert importiert solche Begriffe aus dem Baukasten monarchischer Ideologie des 19. Jahrhunderts in die Gegenwart, um die kritische Vernunft der Menschen zu paralysieren. Der subjektive Faktor ist eine Bestimmung des Menschen, die ihn depraviert zum sprechenden Werkzeug irrational bestimmten Seins.

Die ganze Widersprüchlichkeit bei Seibert, den (falsch verstandenen) freien Willen abzulehnen und zugleich existenzialistische Positionen mit dem extremen Entscheidungspathos (Enweder-Oder) zu propagieren, fußt auf seinem Eklektizismus, unvermittelt sich widersprechende Philosophien zu kombinieren. (Vgl. zum "Existenzialismus", Adorno: Negative Dialektik, S. 128 ff)

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Veränderung des „Empire

Die entscheidende Frage entsprechend dem Anspruch des Buches von Seibert, der Multitude zum Kommunismus zu verhelfen, ist: Wie soll die Gesellschaft zum Kommunismus kommen? Seibert sagt mit Hardt/Negri: Es kommt „den Biopolitikern der Multitude wie zuvor den proletarischen Klassenpolitikern in nuce darauf an, neue Singularisierungs- bzw. Sozialisierungs(?)weisen zu entwickeln. In diesen kann die tendenziell aus jeder Bindung gelöste ‚Mobilität der Arbeitskraft in der Tat Ausdruck eines offenen politischen Konflikts sein, zur Zerstörung des Systems beitragen’ und ‚mittels der Bestrebungen der Menge auch eine Alternative aufzeigen’“. (S. 106) Aus der Zusammenfassung der „minderheitlichen Widerstände“, der von Jugendlichen, von Frauen, antikolonialen Bewegungen, „Auseinandersetzungen um die politische Ökologie“ usw. soll dann das „ganz Andere“ werden. Die alte soziale Bewegung, „d.h. der Arbeiterbewegung“ (S. 111), sei nur ein Teil der Neuen sozialen Bewegungen, weshalb Hardt/Negri auch den neune Begriff der Multitude eingeführt hätten, also die „Ersetzung des Begriffs Klasse durch den der Multitude“ (S. 112). Dieser Begriff ist allerdings so weit gefasst, dass er nichts mehr erklärt.

Da der „Vorrang der Klassen- vor den Kapitalverhältnissen“ nicht als Wunsch oder Ziel, sondern als Realität angesehen wird, soll nach Seibert der Klassenkampf als „biopolitischer Kampf“ geführt werden. „Der Führungsanspruch der Kämpfe um die Formen des Lebens schließt ein, dass noch und gerade die Klassenkämpfe als solche um die Weisen der Singularisierung und Sozialisierung(?) zu führen sind, d.h. als biopolitische Kämpfe.“ (S. 112)(4) Das kann doch nur heißen, dass trotz des Fortbestehens des Kapitalismus alternative Lebensweisen geschaffen werden, die dann die revolutionäre Umwandlung vollziehen. Zwar ist es nicht neu, wenn Revolutionäre durch ihre Tätigkeit auch persönlich wachsen, ihre Individualität ausbilden usw., wenn sie nicht gerade die konspirative Drecksarbeit des Widerstandes machen müssen – aber diese individuellen Verhaltenweisen zum Hebel der Abschaffung des Kapitalismus zu machen, ist nur noch illusionär. Die Zusammenfassung der einzelnen Widerstandskämpfe gegen die „Biomacht“ der Ökonomisierung des Lebens nennt Seifert „Bewegung der Bewegungen“ (u. a. S. 114). Da sie durch „Ernüchterungserscheinungen“ in sich selbst krisenhaft ist und korrumpiert wird durch „ideologische Neubestimmungen der imperialen Herrschaft“ (S. 114), fordert er „die Treue zum inneren Einsatz der Bewegung der Bewegungen, zur „Treue zu einem kommenden Ereignis“ – ein Widerspruch in sich. Das aber bedeutet auf das Illusionäre dieser ganzen Konzeption hin.

Seibert gibt denn auch zu, dass die Einheit der „Bewegung der Bewegungen“ sich dem Gegner verdankt, nicht dem „Wollen zum Sollen“, der „Treue zum Glauben“ oder der „Biopolitik“ gegen das Kapital. „Abschließend bleibt dann aber ein in sich krisenhaftes Charakteristikum der Bewegung der Bewegungen zu nennen. Dieses bezieht sich auf den Umstand, dass sich die ideologische und programmatische Vielfalt dieser Bewegungen und damit ihr methodischer Pluralismus zunächst einmal der gemeinsamen Opposition gegen den Neoliberalismus verdankte.“ Wenn dem aber so ist, dann gibt es keine Bewegung, die die vielen Bewegungen vereint, sondern das einheitliche Moment des Pluralismus ist nur in den Köpfen der Poststrukturalisten wie Hardt/Negri und Seifert.

Der Mangel einer gründlichen Analyse des Kapitalismus wirkt sich ebenfalls negativ auf eine Strategie zur Veränderung aus. Seibert schreibt: „Der Führungsanspruch der Kämpfe um die Formen des Lebens schließt ein, dass noch und gerade die Klassenkämpfe als solche um die Weisen der Singularisierung und Sozialisierung(?) zu führen sind, d.h. als biopolitische Kämpfe.“ (S. 112) Unter biopolitische Kämpfen ist nicht nur der um die Lebensweise gemeint, sondern auch um den „Zugriff auf den gesellschaftlichen Reichtum“. Diese ganze Konstruktion kann doch nur heißen, dass nicht das Kapital, das sich anscheinend von selbst transformiert, der Gegner ist, sondern ohne Beseitigung der Kapitalherrschaft der „Zugriff auf den gesellschaftlichen Reichtum“ möglich ist. Das ist der Traum aller Revisionisten von Bernstein bis Habermas.

Da das Wertgesetz tendenziell nicht mehr gelten würde, kann Seifert mit Hardt/Negri auch illusionär davon ausgehen, dass die Veränderung der Lebensweise im Kapitalismus diesen abschafft, weil er von sich aus transitiv ist. „’Die Multitude ist Institution.’ (Negri) (…) Dies beginnt mit der Entfaltung von Lebensstilen und Verhaltensweisen und reicht bis zu Interventionen in die demokratische Stufe des Empire, zu einer natürlich strategischen und in diesem Sinn militanten Beteiligung an deren Prozeduren, auch an Regierungs- und Staatshandeln“. (S. 135) Derart beruht die ganze Strategie zur Abschaffung der Kapitalherrschaft auf einem Automatismus. Der Begriff der „Passage“ sei im Buch von Hardt/Negri „im strengen Sinn, ja wortwörtlich“ zu verstehen. „Die politische Ökonomie, von der in ihm die Rede ist, ist eine in sich selbst passagere, also übergängige: Wir treten gerade erst ins Empire ein und treten schon, was letztlich wichtiger sein wird, ins ‚Gegen-Empire’ ein“. (Hardt/Negri, zitiert nach Seifert S. 135)

Die Auffassung, dass Widerstand gegen die Folgen der leichenträchtigen Kapitalherrschaft, d.h. ohne deren Gründe anzugehen, zum Kommunismus führt, ist zumindest in der bisherigen Geschichte (an ihren Knotenpunkten „Wahrheitsereignis“) nicht bestätigt. Der Marxsche Gedanke, dass nur das Industrieproletariat das Kapitalverhältnis beenden könnte, d.h. an ihrer Wurzel, weil die Industriebarbeiter als in Fabriken organisierte Mehrwertproduzenten durch Streik das Kapital vernichten könnten, wird nicht thematisiert, da Seibert das Wertgesetz bereits tendenziell außer Kraft gesetzt sieht (siehe oben: „Wesen und Erscheinung“). Hier wirkt sich der theoretische Fehler als mangelhafte Strategiereflexion aus. Stattdessen sollen es die Intellektuellen richten. Kommunismus wird dann zum Beschäftigungsraum für die „parasitäre Intelligenz“ (vg. S. 110, ein Ausdruck von G. Lukács)

Seibert will „die Vertikalsezession der Singularitäten (d.h. Individuen, B.G.) und die Horizontalbewegung der Multituden aufeinander beziehen“ (S. 109). Dabei haben die Intellektuellen wie Seibert, die Funktion, ideologische „Korsettstangen“ der Massen zu werden. (S. 110) Er übernimmt Gramscis Ansicht, „daß in den Massen als solchen die Philosophie nur als Glaube gelebt werden kann“ (S. 109). Dem kommt bei Seibert entgegen, dass nicht nur die Seinsauslegung irrational ist, sondern sie auch nur auf Glauben und Treue gründen könne. In diesem Zusammenhang spricht Seibert sogar vom „Wächteramt der Philosophie, „sie ist konstitutiv aristokratischen Wesens (contra Habermas et al.)“ (S. 165) Die esoterische Auslegung des Seins ist den exoterischen Massen ein Buch mit sieben Siegeln, der Fundamentalontologe feiert sich in der Bestimmung als Aristokrat selbst. Es sind aber nicht die exoterischen Massen, die nicht das Wahrheitsereignis als Seinsverständnis deuten können, sondern es ist objektiv unverständlich oder eine Erschleichung verdinglichter Subjektivität. Der Möchtegern-Aristokrat Seibert verfällt der Kritik und erweist sich als Teil des geistigen Pöbels, über den er sich mit „schlauer Tumbheit“ erhaben fühlt (vgl. Adorno: Negative Dialektik, S. 133).

In einer Welt der fortgeschrittenen Globalisierung des Kapitalismus, einer fast schrankenlosen Kommunikation und einer Pluralität von Aberglauben, Mythen, Vorurteilen, Meinungen, falschen Bewusstseinsformen, Ideologien und wahren wissenschaftlichen Bestimmungen kann eine geistige Vereinigung der Lohnabhängigen allein auf der Wahrheit einer Theorie basieren, denn bei der medialen Übermacht der Funktionäre der Kapitalherrschaft und ihrer Diener würde jede falsche Theorie, wenn sie populär würde, sofort der Kritik verfallen und deshalb im Bewusstsein der Masse („Multitude“) begründet  desavouiert. Die Tatsache, dass sich die Marxsche Theorie bis heute behaupten konnte – entgegen ihrer öffentlichen Verleumdung (nicht ihrer Widerlegung), der Karriereknicks ihrer Anhänger und der Verfälschung durch die Marxisten selber (von Verdrehungen solcher Leute wie Seifert ganz zu schweigen), ist zumindest ein Indiz für ihren Wahrheitsgehalt. Nur eine wahre Theorie, die sich an der avancierten Vernunft orientiert, wie sie durch Kant, Hegel und Marx entwickelt wurde – bei allen Problemen, die philosophisch noch bestehen -, kann die theoretische Grundlage einer Veränderung der destruktiven Ökonomie des Kapitals werden. Nicht aber ein „fundamentalontologischer“ Irrationalismus heideggerschen Typs, der wieder eine positive Ontologie betreibt nach der Widerlegung aller positiven Ontologien, nicht Poststrukturalismus mit seinen skeptizistischen Methoden der “De-Konstruktion“ und „Entwendung“.

Die Mindestanforderungen an eine wissenschaftliche Theorie, die beansprucht wahr zu sein, ist die Widerspruchsfreiheit in ihren Sachaussagen, dass sie einen Gegenstand hat, die Unterscheidung von Wesen und Erscheinung und die Reflektiertheit (Selbstbewusstsein) ihrer philosophischen Grundlagen. Seibert erfüllt keine dieser Bedingungen – im Gegenteil, seine Schrift hat objektiv die Funktion der Paralysierung der Vernunft. Daran kann nur ein bürgerliches Denken ein Interesse haben, dass naturwissenschaftliche Rationalität in nie gekannte Höhen treibt, aber das gesellschaftliche Selbstbewusstsein paralysieren muss, um die längst überfällige Herrschaft der Kapitaleigner aus dem Bewusstsein der Massen zu verdrängen.

Spätestens mit der Gulag-Erfahrung sind die Menschen, die eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse anstreben, misstrauisch gegenüber dem Begriff des Kommunismus. Wer von Kommunismus redet, muss noch lange nicht das meinen, was die Hoffnungen der Menschheit ausmachen, die sich in diesem Begriff ausdrücken. Bereits die Sowjetunion hatte, anstatt zum Himmelreich auf Erden ihre Glacis partiell in eine Hölle auf Erden verwandelt. Wird dieser Begriff auf eine Unmittelbarkeit des Seins, dessen „Lichtung“ bei der Bestimmung des Seienden, letztlich in einem „Kultus des Seins“ und eine „Seinsfrömmigkeit“ gegründet, die nur Eingeweihten zugänglich sind, die ihre Ratio reduzieren müssen, um das „Wahrheitsereignis“ zu deuten, dann lugt in dieser Begrifflichkeit bereits wieder eine zukünftige Herrschaft, selbstverständlich unter der Losung der Herrschaftslosigkeit, hervor. Für Typen wie Seibert gilt, was Adorno allgemein über den heideggerschen Existenzialismus sagt: Bar eines Gegenstandes, allein auf das Kriterium seines eigenen Seins bezogen, „verschafft Existenz, die derart sich als Kriterium des Gedankens proklamiert, autoritär ihren bloßen Dekreten Geltung wie in der politischen Praxis der Diktator jeweils der Weltanschauung.“ (Adorno: Negative Dialektik, S. 133 f.)

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Letzte Aktualisierung: 27.08.2010